Am 15. Juni 2014
verstarb der Radiomoderator Casey Kasem in Gig Harbor, Washington. Ich wollte
diesen Radioblog nicht mit einem Nachruf
starten, so dass dieser ein wenig spät kommt. Aber Casey Kasem gehört zu meiner
privaten Radiogeschichte, so dass es auch wieder passt über diesen Blick auf
eine interessante Radiopersönlichkeit zurück in die Geschichte des Radios zu
gehen:
Ende der sechziger
Jahre des 20. Jahrhunderts gab es in Bayern gerade mal zwei UKW-Programme:
Bayern 1 und Bayern 2. Die Servicewelle Bayern 3 war kurz vor dem Start, und es
gab viele weitere Radiosender auf Mittel- und Kurzwelle.
Die US-Streitkräfte
hatten mit dem AFN ihr eigenes Radio dabei. "American Forces Network"
sendete damals auch noch auf der Mittelwelle, UKW kam erst viel später.
Der Bayerische
Rundfunk sendete damals neben ausführlichen Wortbeiträgen vor allem bayerische
Volksmusik und deutsche Schlager, dazu ganz wenig "Beatmusik", wie es
damals hieß. Englischsprachige Musik lief meistens im Jugendfunk, das war vor
allem der "Club 16" auf Bayern 2. Die Moderatoren pflegten den
langsamen und gemütlichen Plauderton, damit die Hörer auch verstanden, was die
Moderatoren sprachen. Musiktitel wurden noch mit einer kleinen Pause zwischen
Wort und Musik angesagt, damit die Hörer ihre Tonbandgeräte einschalten und
mitschneiden konnten - in heutigen Zeiten, da die Industrie überall
Raubkopierer vermutet, undenkbar.
AFN war das genaue
Gegenteil davon: Die Moderation nahm den Drive der Musik auf, brachte
Informationen rasch auf den Punkt und schon spielte der nächste Musiktitel und
der Moderator quatschte auch in den Titel hinein. Ramptalk war für den
Tonbandfan von damals der absolute Horror. Für die junge Generation von heute,
die mit Privatradios aufgewachsen ist, mag das inzwischen eine normale
Hörsituation sein. In den späten Sechzigern und frühen Siebzigern war das
dagegen noch etwas ganz Besonderes.
Die wichtigste
Sendung für Pop- und Rock begeisterte Jugendliche war Casey Kasems
"American Top 40". Rund 24 Jahre lang moderierte Kasem den berühmtesten
Countdown der Welt im US-Soldatensender AFN. Zu den Fans der dreistündigen
Sendung gehörten neben den US-Soldaten auch viele Deutsche. Der Moderator
brachte uns das modernste und angesagteste der US-Charts direkt ins Wohnzimmer.
Das waren nicht nur amerikanische, sondern oft auch britische Titel, die über
diesen Umweg nach Deutschland kamen.
Neil Young, Lobo,
Ten Years After, Carly Simon und viele andere erreichten auf diesem Wege zum
ersten Mal ihre deutschen Hörer und Plattenkäufer. Ich weiß nicht mehr wie
viele meiner Erstbegegnungen mit den Stimmen späterer Superstars über Casey
Kasem und seine AT40 liefen, aber es waren viele, sehr viele.
Aus heutiger Sicht
mag Casey Kasem ein typischer Hitparaden-Moderator gewesen sein, doch seine
Ansagen erschöpften sich nicht nur auf Titel, Interpret und Platzierung. Wir
Hörer erfuhren biografisches zu den Musikern, auch Klatsch und Tratsch, so dass
es neben der Musik vor allem die Persönlichkeit Kasems gewesen war, die
Unterhaltung garantierte. Dabei setzte er seine Stimme wie ein Musiker oder ein
Schauspieler ein: Schnell und dynamisch, wenn es um die Chartplatzierung eines
Songs ging, dann wieder leise und getragen, wenn ernste oder romantische Themen
angesagt waren. Er klang in jeder Hinsicht menschlich und die 20 Millionen
Hörer fühlten sich automatisch mit ihm verbunden. Kult war natürlich auch jener
Satz, mit dem er seine Radiosendungen stets beendete: „Keep your feet on the
ground and keep reaching for the stars“.
Casey Kasem ist tot,
aber seine Stimme ist dennoch nicht erloschen: Die aufwändig digitalisierten
Bänder der Sendung werden immer noch von vielen Sendern ausgestrahlt. Von Juli
2012 bis zur Programmumstellung sendete der Berlin-Brandenburger Sender radio B2 die Originalshows
jeweils in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Inzwischen laufen auf diesem
Programmplatz aber deutsche Schlager.
Auch auf der
offiziellen Webseite der Sendung wird an ihn mit Bildern und Audios
erinnert. Außerdem gibt es viele der Sendungen auf YouTube, so wie diese hier:
Foto ganz oben: Screenshot www.at40.com - Photos courtesy of the Pete
Battistini Collection
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